FRANKFURTER ALLGEMEINE
Sigrid Olschewski

Zwischen Ernst und Unernst

14. februar 1989

FRANKFURT A. M. Ein ohrenbetäubender Krach, ein Mensch wieselt mit rotem Banner von links nach rechts durchs Blickfeld und dazu tönt „In the mood“. Herman van Veen stiftete im Großen Saal der Alten Oper gleich zu Anfang eine Stimmung, als ob er seinem Image eines sanften Märchenonkels sofort den Garaus machen wollte. „Bis hierher und nicht weiter“ hieß seine Show und zeigte noch vieles, was Herman van Veen „bis hierher“ getrieben hat.


So ist er der Clown geblieben und der Bürger, der ausgesprochen dezent seine sozialkritischen „Anliegen“ formuliert. Beides vermischt er, wenn er von einer Seite der Bühne zur anderen kaspert und dabei gleichzeitig übergangslos zwischen Ernst und Unernst springt. Eine ulkige Szene kippt und relativiert damit die vorhergehende nachdenkliche und umgekehrt. Alle Angaben bleiben ohne Gewähr. „Eine Art Realitätswahrnehmung“ nannte van Veen das einmal. Und in diesem Sinne reimte er sich oft auch Ungereimtes, Unzusammenhängendes zusammen, was den Unterhaltungswert dieser Patchwork-Show ungemein steigerte.

Geblieben ist Herman van Veen außerdem der Freund der Kinder, denen er einst „Die seltsamen Abenteuer des Alfred Jodocus Quak“ erzählte. Inzwischen erzählt er aber auch von seiner frühesten Jugend, die er bis ins Embryonalstadium zurückverfolgte, als er sich fragte, „was würde ich diesmal werden?“ Zwar wußte Anfang 1945 sicher niemand so recht, was überhaupt werden sollte, trotzdem fand Herman van Veen auch bei seinen Geschichten über die eigene Geschichte im Welt(kriegs-)geschehen auf bewährte spöttische Manier den Schwenk ins Ulkige.

Geblieben ist bei van Veen auch die Zurückhaltung, auf das heutige Treiben in der Welt zu reagieren. Hier dreht es sich meist um allgemeine Ehe-, Familien-und Daseinskrisen. Guter Rat war dann zuweilen nicht teuer: „Wenn du Schiß hast, sing ein Lied“, riet van Veen telefonisch seinem Kind, „daß macht Papa auch immer und verdient sehr interessant dabei.“ Die allgemeinen Existenzkrisen der Menschheit bewältigt van Veen hingegen slapstickartig knapp, zynisch, grotesk und damit fast so schön wie ein konventioneller Teenie: „don’t worry, be happy“ singt der Chor von Sensenmännern, wenn es um Umweltzerstörung geht.
Daß er nur leise muckt, „sanfte Kräfte“ einsetzt, begründete van Veen bei einem Interview damit, daß nur den Leisen wirklich zugehört wird. Dabei heißt es bei seinem Programm schon allein deswegen aufgepaßt, weil er so quirlig zwischen Szenen, Liedern und Sketchen und Kalauern wirbelt. Zuweilen hüpft er sogar wie Otto.

Geblieben sind bei Herman van Veen nicht zuletzt eine Reihe seiner Bandmitglieder, vor allem der Arrangeur und „musikalische Kompagnon“ seit 1967, Erik van der Wurff.



Sigrid Olschewski